Energiewende und neue Gaskraftwerke – passt das zusammen?
In Deutschland wird derzeit intensiv über die Rolle neuer Gaskraftwerke im Energiesystem der Zukunft diskutiert. Befürworter verweisen auf deren Notwendigkeit, um Versorgungslücken ausgleichen zu können. Diese Lücken können durch die fluktuierende Einspeisung erneuerbarer Energien entstehen. Insbesondere in Zeiten geringer Wind- und Solarstromproduktion können flexible Gaskraftwerke kurzfristig hochgefahren werden und so für ausreichend gesicherte Leistung und Netzstabilität sorgen. Laut Bundesnetzagentur kann Versorgungssicherheit bis 2035 nur gewährleistet werden, wenn (je nach Szenario) zwischen 22-36 GW zusätzliche steuerbare Kraftwerkskapazität, vor allem in Form von Gaskraftwerken, gebaut wird. Sie empfiehlt daher den schnellen Zubau steuerbarer Kraftwerke.[1]
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wie lassen sich Klimaziele, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit gleichermaßen erreichen und miteinander in Einklang bringen?
Stufenweises Konzept zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit
Trotz des stetigen Ausbaus von Wind- und Solarenergie reicht deren Erzeugung bislang nicht aus, um eine kontinuierliche Versorgung sicherzustellen. Die installierte Leistung erneuerbarer Energien spiegelt lediglich ihr theoretisches Erzeugungspotenzial unter optimalen Bedingungen wider. In der Realität hängt die tatsächliche Einspeisung jedoch maßgeblich von volatilen Faktoren wie Sonneneinstrahlung und Windaufkommen ab und unterliegt daher erheblichen Schwankungen.
Daraus ergibt sich der fundamentale Unterschied zwischen installierter und gesicherter Leistung: Während die erste eine rechnerische Größe darstellt, beschreibt die zweite jene Kapazität, die verlässlich und jederzeit verfügbar ist, um die Stabilität und Sicherheit der Energieversorgung zu gewährleisten. Gaskraftwerke können diese schwankungsbedingten Lücken schließen und leisten durch ihre hohe Flexibilität einen wichtigen Beitrag zur Integration volatiler erneuerbarer Energien in das Stromsystem. Im heutigen System, dem sogenannten Energy-Only-Market, werden Stromerzeuger ausschließlich für die tatsächlich gelieferte Energie bezahlt – es gibt keine gesonderte Vergütung für die bloße Bereitstellung von Kapazität. Für Gaskraftwerke bedeutet das: Sie bieten entsprechend ihrer variablen Kosten (vor allem Gas und CO₂-Zertifikate) am Markt an. Kommen sie zum Zug, erhalten sie den Marktpreis. Dieser muss langfristig nicht nur die Betriebskosten decken, sondern auch die Investitionskosten refinanzieren. Das Problem: Moderne Gaskraftwerke laufen in einem stark erneuerbaren Stromsystem nur noch wenige Stunden auf voller Leistung im Jahr. Dadurch steigen die Fixkosten je Betriebsstunde, während die Erlöse unsicherer und schwer prognostizierbar werden (Preisspitzen, Dunkelflauten). Aufgrund der Unsicherheiten wird es ohne zusätzliche Mechanismen für Investoren zunehmend schwieriger, neue Anlagen wirtschaftlich tragfähig zu errichten.
Da Deutschland nach dem Ausstieg aus Kernenergie und Kohle in den kommenden Jahren eine Lücke bei der jederzeit verfügbaren steuerbaren Stromerzeugung zu schließen hat, braucht es nun rasch zusätzliche Kraftwerke, die gesicherte Leistung bereitstellen können. Aus Gründen der schnelleren Umsetzbarkeit, hat sich die Bundesregierung daher für gezielte Ausschreibungen entschieden. Mittel- und langfristig reicht dieses Instrument jedoch nicht aus. Um die Versorgungssicherheit dauerhaft und marktgestützt zu gewährleisten, wird diskutiert, in einem nächsten Schritt einen umfassenden Kapazitätsmarkt einzuführen.
Das GuD-Kraftwerk Saltend in Großbritannien: Die Hauptaufgabe besteht darin, in Zeiten geringer Erzeugung aus Solar- und Windenergie Strom bereitzustellen.
Wie können Gaskraftwerke zukünftig dekarbonisiert werden?
Um die Rolle von Gaskraftwerken mit den langfristigen deutschen und europäischen Klimazielen der Klimaneutralität bis 2045 bzw. bis 2050 in Einklang zu bringen, stehen verschiedene technologische Ansätze zur Verfügung, die eine schrittweise Dekarbonisierung ermöglichen. Eine Option ist der Einsatz von Carbon Capture and Storage (CCS). Dabei wird das CO2, das bei der Erdgasverbrennung entsteht, abgeschieden und zu einer Speicherstätte transportiert, wo es dann dauerhaft unter der Erde oder dem Meeresboden gespeichert wird. Die CCS-Technologie kann die direkten CO2-Emissionen erheblich reduzieren. Ein weiterer Ansatz ist die Nutzung Wasserstoff für den Stromerzeugung im Gaskraftwerk. Die Verbrennung von Wasserstoff ist praktisch klimaneutral – es entsteht lediglich Wasser und eine geringe Menge an Stickoxiden. Abhängig vom Produktionsverfahren für den Wasserstoff kann somit auch die Stromerzeugung im Gaskraftwerk praktisch klimaneutral sein.
Technisch unterscheiden sich Gaskraftwerke in ihrer Auslegung: Neben konventionellen erdgasbefeuerten Anlagen gibt es H2-ready-Kraftwerke, die so konstruiert sind, dass sie zunächst mit Erdgas betrieben werden, später jedoch vollständig oder anteilig auf Wasserstoff umgestellt werden können. Auch Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke (GuD) und offene Gasturbinen lassen sich in unterschiedlichem Maße für den Wasserstoffeinsatz anpassen. Durch den Einsatz dieser Technologien – sei es durch nachträgliche Umrüstung bestehender Anlagen oder durch Neubauten mit entsprechender technischer Flexibilität – können Gaskraftwerke schrittweise von fossilen Brennstoffen entkoppelt und so in ein klimaneutrales Energiesystem integriert werden.
Kapazitätsmarkt: Britisches Modell für den deutschen Energiemarkt?
Ein mögliches Modell für die künftige Ausgestaltung des Strommarktes ist der sogenannte Kapazitätsmarkt. Anders als der klassische Strommarkt, der ausschließlich die tatsächlich gelieferte Energie vergütet, honoriert dieser Mechanismus auch die Vorhaltung von Erzeugungskapazität. Kraftwerks- und Speicherbetreiber erhalten somit zusätzliche Einnahmen dafür, dass ihre Anlagen im Bedarfsfall verfügbar sind – unabhängig davon, ob sie tatsächlich Strom erzeugen. Ziel ist es, die Versorgungssicherheit auch in Situationen mit plötzlich stark ansteigendem Bedarf zu gewährleisten. Auf diese Weise stellt der Kapazitätsmarkt sicher, dass in einem Stromsystem mit wachsendem Anteil erneuerbarer Energien jederzeit genügend gesicherte Leistung bereitsteht. Gleichzeitig schafft er Planungssicherheit für Betreiber von Kraftwerken, die nur selten zum Einsatz kommen. Ein Blick nach Großbritannien zeigt, dass dieses Modell funktionieren kann: Dort existiert bereits seit 2014 ein Kapazitätsmarkt.
Im britischen Modell wird die Versorgungssicherheit über jährliche Kapazitätsauktionen abgesichert. Mehrere Jahre im Voraus schreibt die Regierung ein definiertes Volumen an gesicherter Leistung aus. Erzeuger, Speicherbetreiber und Anbieter von Nachfrageflexibilität geben darauf Gebote ab und erhalten bei Zuschlag eine Kapazitätsvergütung für die Bereitstellung ihrer Anlagen im Bedarfsfall. Die Finanzierung erfolgt über eine Umlage auf die Stromverbraucher. Auf diese Weise stellt Großbritannien sicher, dass jederzeit ausreichend gesicherte Leistung verfügbar ist – auch von Anlagen, die im Energiehandel nur selten eingesetzt werden.
Das Northern Endurance Partnership-Projekt in Großbritannien.
Die Rolle von Stromspeichern, Batterien und anderen Flexibilitätsoptionen
Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien und der Modernisierung von Gaskraftwerken kommt der Entwicklung leistungsfähiger Speicher- und Flexibilitätslösungen eine Schlüsselrolle für ein zukunftsfähiges Energiesystem in Deutschland zu. Batteriespeicher, Pumpspeicherkraftwerke und perspektivisch auch großskalige Wasserstoffspeicher können kurzfristige Schwankungen in der Stromerzeugung abfedern und so den Bedarf an Kraftwerken mit fossilen Energieträgern verringern. Ergänzt werden sie durch weitere Flexibilitätsoptionen wie Lastmanagement, Power-to-Heat oder steuerbare industrielle Prozesse, die Verbrauch und Erzeugung dynamisch in Einklang bringen.
Im Zusammenspiel mit flexiblen Gaskraftwerken ermöglichen Speicher und Flexibilitäten eine deutlich effizientere Nutzung von Wind- und Solarstrom: Überschüsse werden in Zeiten hoher Erzeugung zwischengespeichert oder in andere Sektoren verschoben und stehen bei Bedarf wieder zur Verfügung. Dadurch kann gespeicherte oder flexible Energie in Spitzenlastzeiten eingesetzt werden, um das Netz zu entlasten, Preisspitzen zu dämpfen und die Versorgung zu stabilisieren. Langfristig tragen Speicher- und Flexibilitätslösungen entscheidend dazu bei, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und den Weg in ein vollständig klimaneutrales Stromsystem zu ebnen.
Wind- und Solarenergie reichen nicht aus, um eine kontinuierliche Versorgung bei wetterbedingten Schwankungen sicherzustellen.
Versorgung sichern, Emissionen senken
Gaskraftwerke werden auch künftig eine tragende Säule der Versorgungssicherheit bleiben und können bei entsprechender technischer Auslegung CO2-arm betrieben werden. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung des Stromsystems während des fortschreitenden Ausbaus erneuerbarer Energien. Unternehmen wie Equinor treten dabei nicht nur als zuverlässige Erdgaslieferanten auf, sondern können zukünftig auch als Betreiber moderner Kraftwerke mit Dekarbonisierungsoptionen eine wichtige Rolle spielen. Um dieses Potenzial voll entfalten und zugleich die Klimaziele zu erreichen, bedarf es einer engen Zusammenarbeit zwischen Politik, Industrie und Gesellschaft. Nur durch koordinierte Projekte und gezielte Investitionen lässt sich der Weg zu einem CO2-armen Energiesystem erfolgreich gestaltet.
Dieser Inhalt ist in Zusammenarbeit mit Equinor entstanden und beleuchtet den Beitrag des Unternehmens zur Energiewende in Deutschland.
[1] Bundesnetzagentur 2025: Versorgungssicherheitsbericht Strom: https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/versorgungssicherheit-strom-bericht-2025.pdf?__blob=publicationFile&v=12





