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„Nachhaltigkeit ist kein kurzfristiger Hype“

Prozess und Purpose – so wird ein 3D-Druck-Hersteller grün

Marie Niehaus-Langer und Björn Hannappel; Fotos: © Amelie Niederbuchner
 

Der 3D-Druck-Anbieter EOS hat sich innerhalb von fünf Jahren zum Branchenvorbild in Sachen Nachhaltigkeit entwickelt – trotz weltweiter Krisen und schwacher Konjunktur. Wie ist ihm diese Transformation gelungen? Ein Besuch im bayerischen Krailling. 

Die Technologie gibt es schon Jahrzehnte, trotzdem wirkt sie wie Science-Fiction. Ein Laser fährt über ein Bett aus Kunststoff- oder Metallpulver und verschmilzt das feine Granulat zu beliebigen Formen – und das mit einer Genauigkeit von weniger als einem Millimeter. Schicht für Schicht entstehen so Brillen, Hüftimplantate, Wärmetauscher und vieles mehr, quasi aus dem Nichts. Der Clou: Beim 3D-Druck wird das Material schichtweise hinzugefügt, nicht abgetragen wie bei konventionellen Fertigungsverfahren wie dem Fräsen oder Bohren.

Marie Niehaus-Langer
Marie Niehaus-Langer ist Anteilseignerin der EOS GmbH und übernahm 2019 als CEO. Die studierte Psychologin betont die Relevanz von Nachhaltigkeit und sozialem Impact in der Unternehmensführung.

„Dadurch gibt es viele Möglichkeiten, nachhaltigere Anwendungen zu fertigen“, sagt Marie Niehaus-Langer. „Durch innovative Designs oder leichtere Strukturen etwa kann Material reduziert werden.“ Niehaus-Langer ist CEO der EOS GmbH . Das bayerische Familienunternehmen stellt in Deutschland und weltweit 3D-Druck-Systeme für die industrielle Anwendung her. Die Firmenleitung hat sie 2019 von ihrem Vater Hans Langer übernommen. „Für mich war klar: Wenn ich einsteige, dann ist die nachhaltige Ausrichtung der Organisation das Ziel “, sagt die studierte Psychologin. „Ich wollte, dass wir einen gesellschaftlichen Beitrag leisten.“
 

Für mich war klar: Wenn ich einsteige, dann ist die nachhaltige Ausrichtung der Organisation das Ziel.
Marie Niehaus-Langer


Björn Hannappel
Björn Hannappel ist seit 2020 Head of Sustainability bei der EOS GmbH. Er ist Umweltwissenschaftler und engagiert sich für nachhaltige Produktionslösungen im industriellen 3D-Druck.
EOS ist einer der weltweiten Pioniere des industriellen 3D-Drucks, die Kultur geprägt von Innovationsstreben und technischer Exzellenz. Nachhaltigkeit als strategische Unternehmensaufgabe zu verankern, war keine kleine Aufgabe für die neu angetretene Firmenlenkerin. Niehaus-Langer holte sich deshalb Unterstützung: Björn Hannappel ist seit 2020 Head of Sustainability bei EOS. Vorher war er für die „GoGreen“-Initiative der DHL Group verantwortlich. Zusammen begannen die CEO und der Nachhaltigkeitsmanager, die „grüne“ Transformation des Hightechunternehmens voranzutreiben. 

„Wir haben zunächst ein kleines Projekt daraus gemacht, das dann immer größer wurde“, berichtet Hannappel. Im Rahmen von Workshops bekamen alle Mitarbeitenden weltweit die Gelegenheit, einen gemeinsamen Purpose zu erarbeiten. Nachhaltigkeit wurde dabei auch von ihnen am häufigsten genannt. So entstand das übergreifende Motto und Ziel „Responsible Manufacturing“. Das Symbol: ein Kolibri. „Der kann jederzeit die Richtung ändern, wenn er in der Luft steht“, so Hannappel. „Er verkörpert die Leichtbaustruktur, die mit 3D-Druck möglich ist.“
 

„Die Unterstützung durch die Eigentümer musste da sein, damit der Prozess mehr als eine Marketingstory wird .
Marie Niehaus-Langer

 

Impressionen aus dem Showroom


Dieser interne Beteiligungsprozess rückte Nachhaltigkeit stärker in den Fokus der Mitarbeitenden, gewissermaßen „bottom-up“. „Gleichzeitig habe ich sichergestellt, dass Nachhaltigkeit auch auf Gesellschafterebene diskutiert wird“, sagt Marie Niehaus-Langer. „Die Unterstützung durch die Eigentümer musste da sein, damit der Prozess mehr als eine Marketingstory wird .“ Auch im oberen Management habe es eine kritische Masse von Mitarbeitenden gebraucht, die die Transformation aktiv gestalten. „Ich habe mein Team über die Zeit gezielt geformt“, so Niehaus-Langer.
 

 

Rückhalt von oben, Initiative von unten – ein guter Rahmen für ein Familienunternehmen, das finanziell unabhängig ist und schon immer werteorientiertes Handeln betont hat. „Die Voraussetzungen für eine nachhaltige Transformation waren nahezu optimal“, erinnert sich Björn Hannappel. Gleichzeitig veränderten sich die äußeren Umstände rasant: erst die Coronapandemie, dann der Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, steigende Energie- und Rohstoffpreise und eine schwächelnde Konjunktur. „Auch wir mussten natürlich auf diese Krisen reagieren und manche Dinge verlangsamen“, sagt Niehaus-Langer. „Doch der grundsätzliche Support für das Ziel Nachhaltigkeit war immer da.“
 

Der grundsätzliche Support für das Ziel Nachhaltigkeit war immer da.
Marie Niehaus-Langer


Und der war nötig. Nach der anfänglichen Begeisterung für den gemeinsam entwickelten Purpose und den Kolibri wurde für die Mitarbeitenden klar: Ein Unternehmen nachhaltig aufzustellen, bedeutet auch Mehrarbeit. „Wir haben als ersten großen Meilenstein das CO2-Accounting aufgebaut. Dafür brauchten wir aus allen Bereichen Daten, die es bis dato noch nicht gab“, sagt Hannappel. „Wir mussten häufig erklären: Warum machen wir diesen Aufwand? Und wie helfen diese Bemühungen unserem Business?“ Der Umweltwissenschaftler sieht seine Rolle in der eines Übersetzers: auf der einen Seite die ökologische Realität des Klimawandels, auf der anderen die Anforderungen der Geschäftswelt.

Ein Spannungsfeld, in dem sich auch Marie Niehaus-Langer als Firmenlenkerin bewegt. „Ich musste lernen, dass es nicht für alle von vornherein logisch ist, dass wir jetzt diesen Weg gehen“, sagt sie. Erst mal das Geld verdienen, dann Gutes tun – das sei für manche Mitarbeitende das Mindset gewesen. Die weltweiten Krisen und ein stärker werdender Wettbewerb machten es ihr nicht immer leicht, für das „Responsible Manufacturing“ zu argumentieren. „Man muss sich immer wieder kalibrieren und die Energie finden, das Thema zu pushen“, so die CEO. „Dranzubleiben, aber auch zu akzeptieren, dass es in meinem Job viele unterschiedliche Prioritäten gibt, war für mich die größte Herausforderung .“

Überzeugen und abwägen, aushandeln und auch einmal einen Gang zurückschalten: Nachhaltigkeit zu etablieren, ist ein Prozess, der immer wieder angepasst werden muss. Gute Argumente würden helfen, aber auch finanzielle Anreize für die oberste Führungsebene, wie Niehaus erklärt: „Wir haben Klimaneutralität schon relativ früh in die Zielvereinbarungen aufgenommen, neben Profitabilität und Diversity.“ Die Ansprüche der Gesellschafter in Long Term Incentives umzusetzen, ist für viele Unternehmen nicht selbstverständlich. Für EOS jedoch sind sie ein Hebel, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen.

Die Klimastrategie des Unternehmens sieht vor, 2045 bei Netto-Null-Emissionen zu stehen. Ein Ziel, das durch die Science Based Targets initiative  (SBTi) genehmigt worden ist. Die Organisation unterstützt Unternehmen und Finanzinstitutionen dabei, ihre Treibhausgasemissionen auf wissenschaftlich fundierte Weise zu reduzieren, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Erste Maßnahmen hat EOS bereits umgesetzt. Diese werden jährlich transparent im EOS-Nachhaltigkeitsbericht kommuniziert. Ein eigens entwickelter CO2-Rechner ermöglicht es Kunden, den CO2-Fußabdruck einzelner Bauteile zu ermitteln und Alternativen zu vergleichen. 
 

Impressionen aus dem Showroom

 

EOS bietet im Bereich der Metallpulver inzwischen ein Aluminiumpulver an, das zu 100 Prozent aus sekundären Rohstoffquellen gewonnen wird und damit einen sehr kleinen CO2-Fußabdruck hat. Die Kunststoffpulver werden mit Blick auf Wiederverwendbarkeit und Müllvermeidung sowie auf nachhaltige Rohstoffe und Produktionsprozesse ebenfalls optimiert. „Rund die Hälfte unserer Emissionen entsteht in der Lieferkette“, sagt Björn Hannappel. Ein großer Fokus liegt daher auf der nachhaltigen Beschaffung. Darüber hinaus arbeitet das Unternehmen mit Hochdruck an Lösungen, um möglichst viel Metall- wie auch Polymerpulver im additiven Fertigungsprozess wiederzuverwenden und so Abfälle zu minimieren.

Als Hans Langer EOS 1989 gründete, gab es weltweit nur ein weiteres Unternehmen, das die Technologie des industriellen 3D-Drucks anbot. Heute gelten die Pioniere von einst wieder als Branchenvorbild: dafür, wie man ein Hightechunternehmen in relativ kurzer Zeit nachhaltig aufstellt. Ambitioniert, aber mit Augenmaß, sagt Marie Niehaus-Langer: „Nachhaltigkeit ist kein kurzfristiger Hype. Sie ist ein dauerhafter Transformationsprozess.“

 

 

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