

„Die Portfolio-Selektion bleibt die Königsdisziplin“
Wieviel Chance liegt in der Krise? Was müssen Investoren in transformativen Märkten beachten? Ausgelöst durch die Polykrise erleben wir seit dem vergangenen Jahr vor allem inflationsbedingt die stärkste und schnellste Straffung der Zinssätze in der Geschichte. Seit Juli vergangenen Jahres wurden die Zinsen bereits zum neunten Mal in Folge erhöht und der zentrale Zinssatz, zu dem Geschäftsbanken sich Geld bei der EZB leihen können, liegt aktuell bei 4,2 Prozent. Stärker denn je gilt es für Finanzinstitute angesichts dieser Marktlage und anhaltender geopolitischer Spannungen bei der Portfolio-Selektion sehr genau hinzuschauen.

Wir sprachen mit Armin Eiche, Equity Partner und CEO bei Pictet Wealth Management Deutschland, über die Herausforderungen und Chancen unterschiedlicher Anlageklassen, wie börsennotierten Aktien, festverzinslichen Anleihen und privatem Beteiligungskapital (Private Equity) sowie die Rolle von ESG-konformen Investments.
Herr Eiche, der wirtschaftliche und politische Rahmen der letzten 10 Jahre ist heute längst nicht mehr gegeben. Welche Auswirkungen haben diese, auch mit dem Ende der Welle fiskal- und geldpolitischen Impulse einhergehenden, Verschiebungen für Privatanleger und Unternehmen?

Es ist wichtig zu erkennen, dass wir heute langsam zu einer Quasi-Normalisierung zurückkehren. In den letzten Jahren befanden wir uns in einer künstlich geschaffenen Umgebung mit Nullzinsen, was ökonomisch notwendig war, aber auch zu einem Anstieg der Inflation beigetragen hat. Die neue Zinslandschaft hat deutliche Konsequenzen für die Marktteilnehmer. Unternehmen stehen höheren Finanzierungs- und Investitionskosten aufgrund steigender Zinsen gegenüber. Gleichzeitig belasten Inflation und gestiegene Produktionskosten die Margen. Dadurch wird investierbares Kapital weniger in Anspruch genommen, was Innovationskraft und unternehmerische Entwicklung hemmt. Zusätzlich beeinflusst der gestiegene Zins die Unternehmensbewertungen. Nicht alle Unternehmen sind jedoch in der Lage, diese gestiegenen Preise an Verbraucher weiterzugeben.
Für Investoren hingegen ist es zunächst natürlich positiv, dass sie wieder Zinsen erhalten. Dabei muss man allerdings bedenken, dass wir in Deutschland immer noch Inflationsraten von etwa sechs Prozent haben. Zwar sinkt die Inflationsrate langsam, allerdings haben wir es hier mit einem Prozess zu tun, der noch andauern wird. Vor Steuerabzug bedeutet dieses Verhältnis von gestiegenem Zins und hoher Inflationsrate aktuell also für Anleger real immer noch einen Verlust von rund zwei Prozent. In der Konsequenz bedeutet dies, dass Investoren heute sehr genau überlegen müssen, mit welchem Risikoprofil sie in welche Anlageklassen mit ihrem Kapital gehen können und wollen, um den eigenen Zielen gerecht zu werden.
Es gilt also sowohl für Unternehmen als auch Privatanleger gut zu prüfen, wie sie ihr Geld am besten anlegen, um eine Realrendite zu erwirtschaften. In der Praxis kommen hier oft Anlageklassen wie Private Equity und Private Debt in Verbindung mit globalen Qualitätsaktien sowie festverzinslichen Wertpapieren ins Spiel. Letztere haben dabei primär eine stabilisierende Funktion – als Liquiditätsfaktor mit geringerem Risiko. Die richtige Allokation ist in diesem Kontext extrem wichtig.
Wo sehen Sie persönlich die größten Herausforderungen – aber auch die größten Chancen einer solchen veränderten Anlagelandschaft? Ist ein 60/40-Portfolio, das zu 60 Prozent aus Aktien und zu 40 Prozent aus festverzinslichen Wertpapieren besteht, noch State-of-the-Art?
Aus der Anlegerperspektive besteht zurzeit die größte Herausforderung im Aufbau eines stabilen und gesunden Portfolios und der Wahl der richtigen Anlageklassen. Dabei gilt es, das in Kauf zu nehmende Risiko und den erwarteten Ertrag genau abzuwiegen. Aufgrund des niedrigen Zinsniveaus der vergangenen Dekade sind Aktien zweifellos immer attraktiver geworden. Durch die seit 2022 wieder gestiegenen Zinsen hat der Aktienmarkt allerdings Druck bekommen – selbiges galt auch für den Fixed Income Bereich, also Wertpapiere mit einer festen Verzinsung. Finanztechnisch ist das natürlich ein Desaster, denn beide Bereiche haben im vergangenen Jahr zweistellige Verluste verzeichnet.
Gerade vor dem Hintergrund, dass sich bei einem 60/40 Portfolio beide Anlageklassen gegenseitig ergänzen und stabilisieren sollen, ist das mit Blick auf die Realrendite alles andere als vorteilhaft. Diese durch die schnell gestiegenen Zinsen angestoßene Entwicklung steht zwar vor einem Wendepunkt, aber wir werden uns noch länger auf Inflationsraten von rund drei Prozent einstellen müssen – eine Tatsache, die die Realrendite im Aktienbereich langfristig schmälert.
Hier kommt Private Equity ins Spiel, da sich das Risiko/Return-Verhältnis mit der richtigen Wertpapiermischung deutlich zugunsten der Investoren beeinflussen lässt. Im Bereich Private Equity, also privatem Beteiligungskapital, sehen wir es durchaus als möglich an, eine wesentlich attraktivere Realrendite zu erwirtschaften. Die zentrale Frage, die sich Anleger hier jedoch stellen müssen, ist, wieviel Illiquidität sie für bessere Renditeaussichten in Kauf nehmen wollen. Im Private Equity Bereich ist das Kapital für durchschnittlich 10 Jahre gebunden.
Die Selektion ist und bleibt die höchste Kunst des Portfolio-Managements: Bei allem Erfolg von Börsen und Aktienindizes wie dem NASDAQ-100 oder dem S&P-500 müssen wir uns immer bewusst machen, dass dieser Erfolg von einer Handvoll sprichwörtlicher Zugpferde getragen wird. Die Performance wird von einzelnen Werten bestimmt – als Anleger haben Sie diese oder Sie haben sie nicht.

Apropos festverzinslich: Wie hebt sich Pictet Ihrer Meinung nach von vielen Wettbewerbern ab, wenn es darum geht robuste und solvente Portfolios zu schaffen, die breit diversifiziert und unbeeinflusst von individuellen Trends oder Prognosen aufgestellt sind?
Pictet ist ein Bankhaus, das in erster Linie das Vermögensanlagegeschäft für private und institutionelle Kunden betreut. Wir haben unseren eigenen Analyse- und Researchbereich, den wir nur für uns und unsere Kunden bzw. ihre Anlageentscheidungen verwenden. Der Interessenkonflikt, dem Universalbanken häufig ausgesetzt sind, betrifft uns also nicht.
Unser Selektionsansatz ist qualitätsorientiert. Wir versuchen, im jetzigen Umfeld Unternehmen zu selektieren, die ein sehr günstiges Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital und damit eine gute Finanzierungsstruktur haben. Zusammen mit einer starken Marktposition und hoher Preissetzungsmacht ist dies die Basis für ein stabiles und gesundes Portfolio.
Bei der Frage nach der individuellen Risiko-/Returnstruktur, für die sich ein Kunde entscheidet, ist es wichtig, dass der international zur Verfügung stehende Kapitalmarkt für den Kunden greifbar wird und er sich der individuellen Risiken bewusst ist. Ein Bankhaus muss alle Anlageklassen, die in einer bestimmten Marktphase attraktiv sind, bedienen können – dazu gehören Private Equity und Private Debt, ebenso wie die Asset-Klassen internationale Immobilien, Aktien und Anleihen. Hier schließt sich die Frage an, wie gut der Zugang des Bankhauses in die einzelnen Länder hinein ist.
Welche Rolle spielt der anhaltende Fachkräftemangel in diesem Kontext, insbesondere mit Blick auf Unternehmensagenden? Verschieben sich so die Ausgaben zu Ungunsten der Aktionäre?
Durch den Fachkräftemangel müssen Unternehmen natürlich einiges tun, um für potenzielle Arbeitnehmer attraktiv zu sein – das Engagement reicht von Arbeitszeitmodellen, über eigene Ausbildungszentren bis hin zu kompletten Standort-Verlagerungen hin zu den Fachkräften. Natürlich wirkt sich das auch auf die Margen der Unternehmen aus, die damit zunächst erstmal kleiner werden, was letztendlich zu Lasten des Wachstums geht.
Stichwort ESG: Um Nachhaltigkeitsfaktoren kommt heute kein Unternehmen mehr herum, einige gewichten den Schutz von Umwelt und Natur sowie die Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette stärker als andere. Warum macht der ESG-Faktor trotz potenziell margensenkender Regularien ESG-konforme Unternehmen für Investoren so attraktiv?
Sicherlich müssen wir heute davon ausgehen, dass ESG das Wirtschaftsgeschehen signifikant verändern wird. Dabei ziehen allerdings nicht alle Protagonisten in Punkto ESG am gleichen Strang. Viele Nationen betrachten das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven – mal steht der Umweltaspekt stärker im Vordergrund, mal liegt die Gewichtung eher auf dem Kapitalmarkt. Zudem gibt es in puncto ESG viele Definitionen und Regeln.
Die Komplexität bei einer ESG-konformen Portfolio-Selektion besteht vor allem darin, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht alle Unternehmen über ihre ESG-Aktivitäten in einer Form berichten, wie es der Gesetzgeber für die Zukunft vorsieht. Dadurch, dass zum Beispiel die Kreditvergabe heutzutage an ESG-Kriterien gebunden ist, müssen Unternehmen aber natürlich zwangsläufig stärker in ESG Dimensionen denken. Ein bis dato nicht ESG-konformes Unternehmen hat andernfalls im Zweifel weniger investives Kapital zur Verfügung und damit weniger Chancen, den Anforderungen des Kapitalmarktes im Sinne von Wachstum, Entwicklung und Forschung gerecht zu werden. Diese Situation birgt Schwierigkeiten, da nicht alle nachhaltig orientierten, transformativen Unternehmen den Wandel im gleichen Tempo durchlaufen oder einstimmig darüber berichten können. Das bedeutet nicht, dass wir ihre Entwicklung nicht durch Investitionen fördern sollten. Es ist deutlich erkennbar, dass der Trend hin zu verantwortungsbewussten Investitionen geht und Verantwortung zeigen bedeutet auch, Transparenz und Engagement zu fördern.
Insgesamt sehen wir im Bereich ESG einen Megatrend, der unsere Welt und unsere Kapitalmärkte zum Positiven verändern wird.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
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Vertrieb: Bank Pictet & Cie (Europe) AG
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