

Digitalisierung: Eine Frage der Kultur?
Cloud-Computing, Big Data, Künstliche Intelligenz – digitale Technologien sind ein wichtiges Stichwort, wenn es um den Erhalt der Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit von Unternehmen geht. Und doch: Studien der KfW zeigen, dass sich der Mittelstand in Deutschland mit der Digitalisierung noch schwertut. Zu groß scheinen die Hürden – sei es zum Beispiel in Bezug auf die Infrastruktur oder das Knowhow der Mitarbeitenden. Wie überwinden Unternehmen in anderen Ländern die Herausforderungen?

(Bild: Hero Images/bildkontor.com)
Im EU-Vergleich haben bei der Integration digitaler Technologien Länder wie Finnland, Schweden, Dänemark und die Niederlande die Nase vorn, wie der Digital Economy and Society Index (DESI) der europäischen Kommission zeigt. Deutschland hingegen rangiert in Bezug auf seine digitale Reife nur im Mittelfeld– auf Rang 13 der 27 EU-Staaten. Besonders stark schneidet die Bundesrepublik im Bereich Konnektivität ab. Bei näherer Betrachtung des DESI fallen allerdings in vielen Bereichen nicht nur deutliche Unterschiede im Vergleich zum Spitzenreiter Finnland auf – teilweise liegt Deutschland sogar deutlich unter dem EU-Durschnitt.
So etwa bei der Verwendung elektronischer Rechnungen: In Deutschland nutzen nur 18 Prozent der Unternehmen diese Möglichkeit. Damit liegen wir hierzulande nicht nur deutlich hinter Ländern wie Finnland (83 Prozent) zurück, sondern auch klar hinter dem Durchschnitt der EU-Länder (32 Prozent). Aufholbedarf besteht auch bei stärker zukunftsgerichteten Themen wie Cloud Computing, Big Data und Künstlicher Intelligenz. Hier liegt Deutschland zwar nah am EU-Durschnitt, jedoch mit teils großem Abstand zum Spitzenreiter Finnland. Besonders deutlich wird dies beispielsweise im Bereich der Cloud-Technologien. Mit 32 Prozent nutzt nur ein geringer Anteil der deutschen Unternehmen diese Option. In Finnland liegt der Prozentsatz mit 66 Prozent etwa doppelt so hoch. Wie kommt es zur Technologie-Offenheit finnischer Unternehmen?
3 Fragen an Dr. Jan Feller, Geschäftsführer der deutsch-finnischen Handelskammer in Helsinki

Dr. Jan Feller (47) ist seit 2019 Geschäftsführer der AHK Finnland. Er ist als Sohn eines Deutschen und einer Finnin in Deutschland aufgewachsen und hat später in Helsinki in Wirtschaftsingenieurwesen promoviert.
- Herr Feller, Sie sind in Deutschland und in Finnland zur Schule gegangen, haben in beiden Ländern studiert, gearbeitet und gegründet. Was würden Sie sagen – wie unterscheiden sich die beiden Länder voneinander?
- Die Finninnen und Finnen begreifen Technologie und Innovationen als Chance, während wir als Erstes eine Risikoanalyse machen. Wir sind in Deutschland wahrscheinlich Planungsweltmeister. Die Menschen in Finnland sind experimentierfreudig und pragmatisch. Das trägt dazu bei, dass in Finnland eine „Prototyp-Kultur“ herrscht.
- Ist das etwas, was die Deutschen sich abschauen sollten?
- Absolut. In Finnland ist die Digitalisierung der Industrie und der Gesellschaft um ein Vielfaches weiter. Um den deutschen Geschäftsführer eines finnischen Unternehmens zu zitieren: „Die Finnen sind mit dem Projekt fertig, wenn die Deutschen die Planungsphase abgeschlossen haben.“ Wir müssen uns in Deutschland etwas mehr trauen und akzeptieren, dass es immer Risiken gibt.
Die Finninnen und Finnen sind außerdem unvoreingenommen gegenüber neuen Dienstleistungen oder Produkten. Das liegt auch daran, dass Finnland als Kultur eher vertrauensbasiert ist. Daher nutzen deutsche Unternehmen Finnland gerne als Testmarkt: Die Finninnen und Finnen sind „fast tryers and easy forgivers“. - Finnland belegt bei der Digitalisierung den ersten Platz innerhalb der EU. Was macht Finnland „richtig“?
- Finnland macht es einfach! Der große Unterschied in den Digitalisierungsprojekten ist, dass wir in Deutschland Digitalisierung als Projekt sehen und es nur auf der Oberfläche umsetzen. In Finnland denkt man hingegen von den Nutzern und nicht vom System aus. So machen digitale Services auch dem Endnutzer Spaß.
Lässt man den deutschen Mittelstand selbst zu Wort kommen, berichtet dieser primär von andersartigen Hemmnissen bei der Digitalisierung. Laut einer quantitativen Auswertung von KfW-Research gehören dazu Themen wie die Anforderung an Datenschutz/-sicherheit (39 Prozent), der Qualität der Internetverbindung (38 Prozent), aber auch fehlenden IT-Kompetenzen und Fachkräftemangel.
Wie kann es deutschen Mittelständler mit Blick auf die Digitalisierung gelingen, zu den Vorreitern in anderen Ländern aufzuschließen und aktuelle Herausforderungen zu überwinden? Aktuelle Einblicke, Meinungen und Tipps von Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch Expertinnen und Experten gibt es auf kfw.de/zukunftsperspektiven.