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CUSTOMER EXPERIENCE

„Eine KI ist so gut, wie die Daten, mit denen sie trainiert wird“

„Wenn Du sowas sagst, schwebe ich auf Wolke sieben“ – Wer Siri, der freundlich-sonoren Frauenstimme und Assistenzkoryphäe des Apple-Universums, mit einer Liebeserklärung überrascht, erntet entsprechendes Feedback. Ganz schön clever: Eine künstliche Intelligenz, die uns und unsere Anliegen – im Fachjargon: Intents – versteht und die Informationen, mit denen wir sie füttern, fast schon menschenähnlich verarbeiten kann. Die fachlich kompetent UND immer erreichbar ist. Ein Quantensprung für unsere Industrie und ganz besonders den elementaren Kundenservice, attestieren Experten.

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Verizon weiß: Die Zahl der Anliegen, die heute keinen Menschen mehr „brauchen“, wächst kontinuierlich. Die Bestellung einer weiteren Sim-Karte oder ein Upgrade des Datenvolumens? Für die Sprach- und Chatbots des Telekommunikations- und Vernetzungsexperten kein Problem. 

In der Theorie ist das Thema KI im Kundenservice ein Gamechanger, der vor allem Zeit und Geld spart – indem die KI immer erreichbar ist, keine langen Wartezeiten kennt und sich potenziell unendlich skalieren lässt. Selbst Produkte und Dienstleistungen könnten dadurch letztendlich günstiger am Markt angeboten werden. Ein Win-win, von dem alle profitieren.

Dabei soll menschliche Arbeitskraft gleichzeitig für weniger routinelastige Aufgaben zur Verfügung gestellt werden. Wenn man bedenkt, dass rund 80 Prozent der Kosten eines Contact Centers im Personalbereich liegen, ist das eine durchaus lohnenswerte Kalkulation.

Und doch: Wie steht es eigentlich in unserer Gesellschaft um die Akzeptanz entsprechender Technologien – gerade in einem traditionell so von Zwischenmenschlichkeit geprägtem Bereich wie dem Kundenservice? Und wie können Unternehmen unterschiedlicher Größenordnung von ihr profitieren? Wir sprachen mit Steffen Selbmann von Verizon Business: Über die Chancen und Vorteile, die wir mit künstlicher Intelligenz im Customer Service verbinden, über den Datenschutz und über das große Potenzial der Technologie. Denn Steffen Selbmann ist überzeugt, dass das wichtige Thema heute noch in den Anfangsstadien steckt.

„Hallo, wie kann ich Ihnen helfen?“ – Um künstliche Intelligenz kommt im Zeitalter der Industrie 4.0 eigentlich kein Unternehmen mehr herum. Dabei hat eine aktuelle Studie von Longitude und Verizon Business* gezeigt, wie akzeptiert Voice- und Chatbots schon heute im Kundenservice sind – vorausgesetzt, eine menschliche Alternative steht im Bedarfsfall zur Verfügung. Was sagen Sie zu diesem Hybrid-Modell aus „Mensch-Maschine-Interaktionen“? 

Steffen Selbmann: Gerade für Unternehmen mit großen Contact Centern sind Bots eine vielversprechende Chance, um den Kundenservice massiv aufzuwerten und das Kundenerlebnis zu verbessern. Hier werden Prozesse automatisiert und Anliegen oftmals schon komplett gelöst. 

Laut Untersuchungsergebnissen von Longitude und Verizon haben sich in den vergangenen Jahren die Einstellungen der Verbraucher zu Künstlicher Intelligenz stark verändert – auch, da automatisierte Empfehlungen dank der Technologie immer besser und menschenähnlicher auf ihre Nutzer reagieren.

Bei Verizon Business setzen wir Bots derzeit mit großem Erfolg im telefonischen und digitalen Kundenservice ein. Die Bots verstehen die Kundenanliegen, die Problemstellungen und können oftmals schon Lösungen finden. 

Zusammen mit Google haben wir eine Partnerschaft, bei der sich aktuell etwa 60 Menschen immer neue Szenarien überlegen, was einen möglichen Intent betrifft, und die KI-Software so trainieren. Für jedes mögliche Anliegen muss dabei ein Intent kreiert und beobachtet werden, was der Kunde typischerweise sagt, damit es genau auf diesen Intent passt. Dabei ist natürlich klar, dass wir Menschen uns sehr vielfältig ausdrücken. Entsprechend gilt es, immer wieder zu optimieren, bis ein sehr hoher Prozentsatz der Anliegen richtig erkannt und maschinell bearbeitet werden kann. 

… und wenn nicht?

Steffen Selbmann: Sollte es der künstlichen Intelligenz nicht gelingen, den Intent des Kunden herauszufinden, ist der nächste Schritt logischerweise die Verbindung mit einem Mitarbeitenden. 

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Zugleich gibt es eine signifikante Gruppe (25 Prozent), die diesbezügliche Bedenken hegt. Eine Anonymisierung der Daten verspricht hier große Vorteile.

Dabei muss der Bot natürlich auch dahingehend trainiert sein, dass er im Verlauf einer Interaktion erkennt, wann nach einem Menschen gefragt wird. Der Mitarbeitende erhält dann direkt wertvolle Informationen zum Anliegen. Gleichzeitig kann der Bot während der menschlichen Kommunikation mitlaufen und so dazulernen – er lernt, den Intent zu verstehen. 

In diesem Kontext kann der Bot so nicht nur die Kunden, sondern auch die menschlichen Agentinnen und Agenten unterstützen, indem er etwa die entsprechenden Hilfeartikel aus der Datenbank zur Verfügung stellt. Gerade bei neuen Mitarbeitenden kann das eine ganz wertvolle Unterstützung sein. Bei unseren eingesetzten Bots beobachten wir eine sehr hohe Problemlösungsquote im ersten Anlauf – das zahlt natürlich auch auf die Kundenerfahrung ein.

Sie sprechen den großen Erfolg der künstlichen Intelligenz im Kundenservice an. Wie kann dieser Erfolg gemessen werden?

Steffen Selbmann: Zum einen führen wir regelmäßige Umfragen zur Kundenzufriedenheit durch. Und dann gibt uns natürlich auch die Anzahl der Wiederholanrufe oder digitaler Kontaktaufnahmen Aufschluss darüber, ob unseren Kundinnen und Kunden durch die künstliche Intelligenz geholfen werden konnte oder ob es weiteren Klärungsbedarf gibt.

„Die Automatisierungsrate im Sprachkanal liegt aktuell bei 30 Prozent – im Chat sind es 70 Prozent.“ – Steffen Selbmann

Zentral ist hier die Fragestellung, ob der sogenannte Intent gefunden werden konnte, also die KI verstanden hat, worum es geht. Denn unsere Kunden haben ja ein Anliegen – allerdings drücken sich Menschen, die zwar das gleiche Anliegen haben, zum Teil sehr unterschiedlich aus. Bots lernen dabei kontinuierlich dazu. Was eine künstliche Intelligenz heute noch nicht versteht, ist vermutlich in einem halben Jahr keinerlei Problem mehr. 

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Basis ist eine Umfrage unter 6.000 Verbrauchern im September 2020. Die Umfrage wurde von Longitude, einem Unternehmen der Financial Times Group, im Auftrag von Verizon durchgeführt.

 

Aus Ihrer Erfahrung – wo liegen heute auf Seiten der Verbraucher noch die größten Hemmnisse und auch Ängste in Verbindung mit KI-Interaktionen?

Steffen Selbmann: Natürlich unterscheidet man im Kundenservice eine faktische und eine emotional-empathische Problemlösung. Das ist auch der Grund, warum man sich im Einstieg bei der Integration von KI in Contact Centern zunächst auf Service-Anliegen und nicht den Verkaufsbereich fokussiert. Aber man muss bedenken, dass künstliche Intelligenzen ständig dazulernen. Sie erkennen, wenn ein menschlicher Ansprechpartner gewünscht ist und verbinden dann weiter. So profitiert der Kunde automatisch von allen Vorteilen, inklusive der schnellen Erreichbarkeit und der hohen Problemlösungsquote.

Die Studie zeigt auch: Mögliche Unzulänglichkeiten beim Thema Datenschutz veranlassen Verbraucher, Beziehungen zu Marken abzubrechen. Wie können Unternehmen klassische Datenschutz-Verstöße in diesem Bereich umgehen? Worauf muss man achten?

„Der nächste Schritt wird sein, Bots bei einfachen Themen wie einer Erweiterung des Datenvolumens auch im Verkauf einzusetzen.“ – Steffen Selbmann

Steffen Selbmann: Ganz elementar wichtig ist an dieser Stelle die Frage, was persönliche Daten sind und welche Daten eine künstliche Intelligenz braucht, um Intents zu lernen. Die gute Nachricht: Der Datenschutz ist in diesem Bereich sehr hoch, da die Person des Kunden für das Lernen eines Intents völlig irrelevant ist. Dem Bot sind persönliche Daten egal – die Daten können also völlig anonymisiert werden.

Wie läuft das Training der künstlichen Intelligenz in der Praxis ab? Ist der Trainingsaufwand durch menschliche Mitarbeitende nicht sehr hoch?

Steffen Selbmann: Die Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Unternehmen und dem Technologieanbieter ist dabei natürlich ganz zentral. Denn der Mitarbeitende bringt den Businesskontext ein – Stichwort: Was kann ein Kunde sagen? Das Technologieunternehmen wiederum kann Ideen geben, wie sich das technologisch am besten umsetzen lässt und wie sich die Schnittstellen managen lassen – etwa zwischen dem geäußerten Intent und weiteren Schritten, zum Beispiel einem Verkaufsprozess, der dann in Gang gesetzt wird. 

Zurzeit eignet sich die Technologie wegen des personellen Aufwandes tatsächlich nur für große Contact Center, die etwa 500 bis 1000 Agentinnen und Agenten beschäftigen. Aber auch das wird sich in Zukunft mit Sicherheit ändern. Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Personaleinsatz, der aktuell noch für das Training der künstlichen Intelligenzen benötigt wird, mit der Zeit dramatisch sinken wird. Dann profitieren Unternehmen aller Größenordnungen.

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Steffen Selbmann, Solution Executive Advanced Communications bei Verizon Business. (Bild: Verizon)

Ein Blick in die Zukunft: Wenn wir dieses KI-Interview in 10 Jahren führen – worüber werden wir sprechen? – Steffen Selbmann

Steffen Selbmann: Bots werden noch besser und schneller lernen – eine ähnliche Entwicklung haben wir beim automatisierten Fahren gesehen. Das macht entsprechende Lösungen natürlich auch für kleinere Unternehmen attraktiver, da der Trainingsaufwand durch menschliche Mitarbeitende sinkt. Sicher ist: Die Technologie, die heute entwickelt wird, wird mehr und mehr Automatisierung erlauben. Das sehen wir ja zum Beispiel auch an Alexa & Co. Der Lernprozess ist definitiv da. Zum Teil bedarf er menschlicher Unterstützung, zum Teil läuft er maschinell ab. 
„Eines Tages wird Künstliche Intelligenz in der Lage sein, vollumfänglich selbst lernen zu können. Das wird die Kosten drastisch reduzieren.“

Herzlichen Dank für das Gespräch!

 

Ist das Thema für Sie interessant? Hier geht es zum Studienbericht
 

*Im Rahmen der Studie haben Longitude und Verizon Business 6.000 Verbraucherinnen und Verbraucher in 15 Ländern befragt, um zu erfahren, wie sie über ihre digitalen Interaktionen mit Marken und die Weitergabe ihrer Daten denken.

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