

Was bedeutet inklusive Sprache?
Wie entsteht Rassismus? Und: Was können wir dagegen tun? Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich Enissa Amani. Die Künstlerin und Menschenrechtsaktivistin mit iranischen Wurzeln fasziniert dabei vor allem das Thema Sprache und die Frage, wie Sprache diskriminiert – und Rassismus in unserer Gesellschaft aufrecht erhält.

Dass Enissa Amani mit ihren Gedanken nicht allein ist, zeigt ein Blick in Richtung Google. Denn: Noch nie wurden Begriffe wie "Anti-Rassismus” und "White Privilege" so oft gesucht wie im vergangenen Jahr. Heute erzählt Enissa, warum ihr diese Tatsache Hoffnung schenkt, welche Fragen sie bewegen und wo wir Antworten finden.
Wenn es um Rassismus und Diskriminierung geht, ist es oftmals die Sprache, in jeder Form, die als Basis jeder menschlichen Kommunikation auch schon die Wurzel eines Problems sein kann. Denn sie verfestigt Bilder, prägt Urteile und Vorurteile und kann Klassifizierung entstehen lassen. Entsprechend spielt die Sprache bei der Marginalisierung von Minderheiten eine ganz zentrale Rolle – gerade wenn Kindern von Klein auf durch bestimmte Mantras und Ideologien Schemata vermittelt werden.
Wenn wir über dieses Problem sprechen, bringt uns das “Fingerzeigen” allerdings gar nicht weiter, denn vieles passiert unbewusst und ohne eine vermeintlich böse Absicht. Oft ist Menschen gar nicht bewusst, wenn sie etwa mit mehr oder weniger unbedachten Ausdrücken jemanden verletzen.

Ich bin überzeugt, dass Sprache jede Art von Diskriminierung, jede Form von -ismus, extrem beeinflusst. Das gilt übrigens nicht nur für das gesprochene Wort – auch Gebärden- und Körpersprache kann missbräuchlich verwendet werden. Gleichzeitig bin ich optimistisch, dass es uns mit viel Aufklärungsarbeit und offenen Gesprächen gelingen kann, eine wichtige „Bewusstseins-Revolution“ zu erreichen und wir durch die Erkenntnis, wie mächtig Sprache ist, auch auf größerer Ebene etwas bewegen können. Das kann uns gelingen, wenn wir gemeinsam Fragen stellen und Schemata verändern - und über unseren eigenen Tellerrand blicken.
Oft ist unsere eigene kleine Bubble schließlich gar nicht aussagekräftig. Ich kenne Menschen, die sagen „Mein Freund oder meine Freundin XY stört sich aber nicht an diesen Worten, deshalb ist es ok, dass ich sie nutze“. Wir sollten nicht vom Privileg ausgehen – sondern „vom kleinsten und schwächsten Glied“ – ein Mensch mit einer körperlichen Behinderung, der sehr reich ist, ist ja in puncto Problemen nicht gleichzusetzen mit jemandem, der nicht im Privatjet sitzt und darauf angewiesen ist, dass wir unsere Infrastruktur barrierefrei, behindertengerecht umbauen. So verhält es sich mit jeder Diskriminierung und Ungerechtigkeit, man muss beim schwächsten Glied schauen nicht bei Leuten, die Privilegien haben, sonst schaffen wir keine Veränderung.


Enissa Amani
Dabei habe ich das Gefühl, dass zu den Themen Diskriminierung und rassistische Sprache gerade im öffentlichen Diskurs viel Meinung ausgetauscht wird, aber wenig Fokus auf das gelegt wird, was wissenschaftlich fundiert ist. Jeder spricht aus seinem eigenen Erfahrungskosmos. Bei meiner Talkrunde “Die beste Instanz” war es ein Herzenswunsch, in diese Diskussion eine globale und gesamtgesellschaftliche Perspektive zu bringen und deshalb habe ich in der Runde Wissenschaftler*Innen und Expertise aus verschiedenen Disziplinen zusammengebracht. Alle wussten genau, wovon sie sprechen, entsprechend war der Diskurs sehr authentisch und bereichernd. Wichtig ist mir auch die Perspektive: Wir alle machen Fehler – auch beim Thema Sprache – und oft steckt keine böse Absicht dahinter. Was mich stört, ist Ignoranz. Ich bin überzeugt, dass wir, wenn wir etwas verändern wollen, über unsere eigene „Bubble“ und Identität hinausschauen müssen. Und wenn wir uns durch unseren Beruf in einer privilegierten Situation befinden, sollten wir dieses Privileg nutzen und Verantwortung übernehmen. Dazu gehören vor allem das Hinterfragen und Aufklären.
Je nach Lebenssituation und Umfeld sind Menschen ganz unterschiedlich mit den Themen Rassismus und rassistische Sprache konfrontiert. Mir war es sehr wichtig, mich selbst und eigene Privilegien, die ich ab einem bestimmten Zeitpunkt in meinem Leben hatte, immer wieder zu hinterfragen. Dabei bin ich durch und durch Optimistin: Ich weiß, dass Menschen ganz viel Schönheit in sich tragen. Man muss es nur sehen und daran glauben. Dazu gibt es das wunderschöne Zitat: „Eine Utopie ist nur so lange eine Utopie, bis sie zur Realität wird“. Ich bin überzeugt, dass wir diskriminierende Sprache überwinden können und mehr als das. Alles ist möglich. Natürlich stößt man immer auch auf Gegenwind, wenn man versucht, Dinge zu verändern – das gehört dazu.

Ehrlich gesagt wünsche ich mir mehr Optimismus in der Gesellschaft. Wir sollten immer weitersuchen, wo wir Antworten und Lösungsmöglichkeiten, um Themen wie rassistische, diskriminierende Sprache hinter uns zu lassen, finden können. Ich bin fest überzeugt, dass das möglich ist. Wenn wir Menschen Handys, Flugzeuge und Marsroboter herstellen können – dann schaffen wir auch eine bessere Welt. Ich finde es unglaublich, wie mir meine Followerschaft, die mich damals nur für künstlerischen Output verfolgt hat - vor allem Stand Up und Comedy - inzwischen wegen meiner Haltung und meinen Videos folg, und sich da eine sehr kluge, diverse Community zusammengetan hat.
Dabei bin ich immer auf der Suche nach Inspiration und möchte diese auch weitergeben. Ich bin kritisch und strebe immer nach gerechteren Verhältnissen in allen Belangen. Dabei vertraue ich auf mein Herz und meinen Instinkt. Aber bin auch stetig dabei mir Fehler einzugestehen und weiter zu wachsen. Das wünsche ich mir von allen Menschen.
Enissa Amani nutzt ihre Erfahrung, aber auch ihre Bekanntheit und damit einhergehende Privilegien, um Veränderung zu schaffen. Um Fragen zu stellen und Menschen offen und tolerant zu ermutigen, sich für eine bessere Welt und Vielfalt stark zu machen. Wenn auch in dir neue Fragen aufkommen, leg einfach los. Jede Suche bringt dich weiter.
Weitere Fragen und ihre jeweiligen Geschichten findet ihr hier:

Was ist Freiheit?
Freiheit bedeutet für mich erstmal ganz allgemein die Freiheit, Entscheidungen treffen zu können und nicht einfach nur irgendetwas machen zu müssen und dem Trott sprichwörtlich hinterher zu laufen.

Was bedeutet inklusive Sprache?
Die Sprache spielt bei der Marginalisierung von Minderheiten eine ganz zentrale Rolle. In meinen Augen ist sie häufig die Wurzel des Übels, wenn Kindern etwa von Klein auf durch bestimmte Mantras und Ideologien Schemata vermittelt werden.

Wofür steht LGTBQI+?
Wichtiger als die Frage, wofür etwas steht, ist die Frage, wie es Menschen geht. Für ersteres gibt es viele gute Erklärungen im Internet. Für letzteres muss man zuhören können und wollen.